Geschichte

Die Geschichte von Shiatsu

Der Begriff „Shiatsu“ wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt. Seine Geschichte lässt sich allerdings bis ins alte China des sechsten Jahrhunderts v. Chr. zurückverfolgen.

Die heilende Kraft der Berührung ist in allen Kulturkreisen seit Menschengedenken bekannt. Zusammen mit anderen Möglichkeiten einfacher Volksmedizin heilten Römer und Griechen, Ägypten und Araber, Inder und Chinesen Krankheiten durch Handauflegen und Massieren. Den früheren chinesischen „Barfußärzten“ waren aus praktischer Erfahrung bestimmte Stellen am menschlichen Körper bekannt, die immer dann empfindlich reagierten, wenn Krankheiten auftraten oder gewisse Lebensfunktionen – körperlicher oder seelischer Art – beeinträchtigt waren. Diese besonderen Stellen am Körper, heute als Akupunktur-Punkte bekannt, stimulierten sie mit ihren Händen, lange bevor sie Fischgräten, feine Knochen oder metallene Nadeln als Hilfsmitteln zur Verfügung hatten.

Von China nach Japan

Vor etwa tausend Jahren brachten chinesische Ärzte ihre Kunst nach Japan. Aus den Behandlungsformen der traditionellen chinesischen Heilkunde entwickelten sich dort, unter Anpassung an die alten japanischen Methoden, eigene therapeutische Wege. Die tief im orientalischen Denken verwurzelte alte Form der japanischen Massage, Anma genannt, behauptete dabei für lange Zeit ihren Platz neben Akupunktur und Kräutermedizin. Noch lange blieb die Anma-Methode eine wirkungsvolle Heilmethode gegen allerlei Erkrankungen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch, vor allem unter dem Einfluss der westlichen Medizin, die nun auch in Japan ihren Einzug hielt, hatte diese Massage-Form mehr und mehr ihre traditionellen Wurzeln und damit auch ihre Bedeutung als Heilmethode verloren. Sie war nun lediglich ein Mittel für den sinnlichen Genuss und wurde vor allem von Blinden ausgeübt. Zweckentfremdet fanden auch der kaiserliche Hof und die Gäste der Badehäuser zu Beginn dieses Jahrhunderts ihr Amüsement daran, – sehr zur Unzufriedenheit der japanischen Therapeuten, die in dieser Entwicklung ihre Tätigkeit und Seriosität bedroht sahen.

Von Anma zu Shiatsu

Einer von ihnen, Tenpeki Tamai (玉井天碧) spielte in der Renaissance der traditionellen Form des Anma, kombiniert mit der östlichen Sichtweise zur Ganzheit in den Zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts eine maßgebliche Rolle.

Seriöse Therapeuten begannen nun diese Methode ernsthaft weiterzuentwickeln. Unter ihnen fand sich Tokujirō Namikoshi (1905–2000 浪越 徳冶郎), der den Namen Shiatsu kreierte und es zur offiziellen Heilmethode des japanischen Gesundheitssystems machte. Dazu verband er die einfachen, wirkungsvollen Techniken der Anma-Methode mit moderneren manualtherapeutischen Techniken, eingebunden in das traditionell östliche Gedankengut und das Wissen um ganzheitlich kosmische Zusammenhänge. 1925 gründete er das Shiatsu-Therapie-Institut auf Hokkaido und im selben Jahr kommt es zur Konstitution der „Shiatsu-Therapist-Association“. Shiatsu wird in Japan zur offiziellen Heilmethode.

Vom Verbot zur Anerkennung im Westen

Zur Zeit der amerikanischen Besatzung nach dem 2. Weltkrieg wurde von General MacArthur orientalische Medizin wie Akupunktur, Moxa und Shiatsu – da wissenschaftlich nicht nachvollziehbar – aus Repressionsgründen verboten. Sehr zum Leidwesen und zur Existenzbedrohung derer, die sich von beiden Methoden ernährten: den Blinden, die sich aufgrund ihrer feinen Wahrnehmung und hohen Sensibilität für diese Praxis hervorragend eignen. Erst nach der hartnäckigen Intervention der gefeierten und blinden Schriftstellerin Helen Keller bei der amerikanischen Regierung, erhielten Shiatsu und Anma wieder den ursprünglichen Status.

Um die Weiterentwicklung des Shiatsu hat sich in weiterer Folge Shizuto Masunaga (1925–1981 増永 静人) verdient gemacht. Als Professor der Psychologie war er von der chinesischen Medizin derart fasziniert, daß er sich mit Vorliebe der Erforschung altertümlicher chinesischer Texte widmete. Er selbst studierte Shiatsu an Namikoshis Schule und unterrichtete dort zehn Jahre. In seinem Ansatz verband er drei Bereiche seines Interesses und seiner Forschungserkenntnisse: Psychologie, orthodoxe Shiatsu-Praxis und geschichtliche Forschung der chinesischen Wurzeln mit dem modernen westlichen Verständnis der Physiologie. Sein Stil, durch seine Schüler bekannt geworden als „Zen-Shiatsu“ umfaßt unter anderem die Erweiterung des klassischen Meridiansystems über den ganzen Körper, die Diagnose durch Berührung der Hara- bzw. der Rückenzonen und das energetische Konzept von Kyo und Jitsu (Dynamik der Lebensbewegung) im Hara und in den Meridianen. Masunagas Stil verbreitete sich besonders im Westen.

Wataru Ōhashi (1944– 大橋 渡) war der erste japanische Shiatsu-Therapeut und -Lehrer, der nach Amerika ging und Shiatsu populär machte. Sein besonderer Beitrag war die Bereicherung des Shiatsu mit ästhetisch, fließenden Bewegungen, die an die Leichtigkeit eines Tänzers erinnern.